Das Loch in der Ansichtskarte
Maren und ich schicken einander am liebsten Karten, auf denen wir mit einem Nadelstich das Fenster bezeichnen können, hinter dem wir im Urlaub schlafen. Diesmal scheint es einfach. Jorgos hat natürlich Postkarten, auf denen die Strandseite seiner Pension abgebildet ist.
Aber ich habe Probleme. Ich fühle mich, als könnte sie durch das Löchlein direkt auf das Bett sehen, in dem Johannes und ich meist nur schlafen. Auf unser unerwartetes Unvermögen. Auf das quälende Schweigen zwischen uns. Auf meine Tränen und seine Wutausbrüche.
„In den Wiesen blühen die Erbsen rot-rosa, weiß-lila und gelb-dunkelrot, und an den Wegrändern wuchern die gelben Margeriten ...“, da weiß Maren sofort, dass etwas nicht stimmt.
„Die Sonne scheint so warm, dass wir jeden Tag zum Schwimmen gehen. Wir haben viele interessante Leute kennengelernt ...“ Geht auch nicht. Maren weiß ja, wie menschenscheu Johannes ist. Ich allerdings habe nicht damit gerechnet, dass sich das hier so steigern würde. Dass er alles verweigern würde, was uns mit anderen in Kontakt bringen könnte. Dabei sind viele Berliner hier, nette Leute nach dem Aussehen, kluge Leute nach den Gesprächsfetzen, die beim Frühstück herüberwehen.
„Ich würde am liebsten noch heute abreisen ...“, kann ich auch nicht schreiben, weil er das womöglich liest, und ihn das noch mehr verletzt. Ich fühle mich wie eine Maus in der Falle, weil ich mich nicht traue, das Mietauto zu fahren, schon gar nicht, Johannes zu bitten, dass er mich an die Nordküste fährt, wo ich noch am ehesten die Chance hätte, mir allein ein Zimmer zu nehmen.
Ich werde Maren einen Brief schreiben, vielleicht fällt mir dabei doch noch etwas ein, wie ich aus dieser Sackgasse herauskomme.
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